Vorbild • Prototype • Exploitation dans le réel • Grootbedrijf
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Die Krokodile
Was ist ein Krokodil?
Mit dem Namen dieses exotischen Reptils belegten
Liebhaber die schweren elektrischen Lokomotiven
des Typs Ce 6/8, die in der Schweiz ab 1919 haupt-
sächlich für die Gotthardstrecke gebaut wurden. Die
Loks sind mittlerweile zum Mythos geworden und ha-
ben damit etwas erreicht, was sonst nur Dampfloko-
motiven vergönnt war: Die Distanz zwischen Mensch
und Maschine schrumpfte.
Nicht nur Eisenbahner, sondern auch Techniker und
Historiker würdigen diese Lokomotiven als Meilen-
steine der Technikgeschichte und Symbole für den
Fortschritt. Als die Maschinen gebaut wurden, galten
sie als überzeugende Lösung eines schweren eisen-
bahntechnischen Problems.
Wann und warum die Loks ihren Spitznamen erhiel-
ten, darüber streiten sich die Gelehrten. Ob es die
langen Schnauzen waren, die Kraft, die von ihnen
ausging, die Gelenkigkeit oder gar die Farbe - zu-
nächst braun, später grün -, sie werden es kaum
mehr ergründen können.
Im August 1918 beschlossen die Schweizerischen
Bundesbahnen die Elektrifizierung auf alle verkehrs-
reichen Strecken ihres Gesamtnetzes auszudehnen.
Leistungsanforderungen, wie sie die wichtige Gott-
hardstrecke an die Maschinen stellte, z.B. zwei Hin-
und Rückfahrten Arth-Goldau - Chiasso innerhalb von
28 Stunden mit einer Anhängelast von ca. 430 Tonnen
auf Steilrampen und ca. 850 Tonnen auf Talstrecken
mit maximal 10‰Steigung, führten im Güterzugbe-
reich zur Entwicklung des berühmten ,,Krokodils“
Ce 6/8“.
Dieser legendäre Loktyp wurde von 1919-1922 in
33 Einheiten von den Firmen SLM (Schweizerische
Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur) und
MFO (Maschinenfabrik Oerlikon) gebaut und an die
SSB ausgeliefert. Technisch zeichneten sich diese
Lokomotiven durch Bissellaufachsen und flachen
Dreieck-Kuppelrahmen als Antriebsorgan aus. Den
Antrieb jedes der beiden Drehgestelle übernahmen je
zwei Motoren, die über Getriebe auf eine gemeinsame
Blindwelle arbeiteten, deren Kurbeln am einen Ende
des Dreieck-Kuppelrahmens eingriffen und am ande-
ren Ende eine Kurbel an einer ursprünglich pendelnd
aufgehängten Hilfswelle bewegten.
Der Hauptvorteil der gewählten Antriebsart lag den
Leistungsanforderungen entsprechend darin, dass im
Gegensatz zum herkömmlichen Schrägstangenan-
trieb nur Horizontalkräfte von der Vorgelegewelle auf
die Räder übertragen wurde.